Diese Woche freuen wir uns sehr, euch mit Christiane Attig (@christianeattig) eine alte Bekannte vorzustellen! Christiane ist Psychologin mit ungewöhnlichem Hintergrund: Nach dem Abi machte sie eine Lehre zur Buchhändlerin und war anschließend drei Jahre im Beruf tätig, bevor es sie zum Psychologiestudium an die TU Chemnitz verschlug. Dort gefiel es ihr anscheinend so gut, dass sie geblieben ist: Aktuell promoviert Christiane dort am Lehrstuhl für Angewandte Gerontopsychologie und Kognition zur Frage, wie sich Fitnesstracker auf das Verhalten, die Kognition und Emotionen ihrer Nutzer*innen auswirken können. Außerdem ist sie fleißige Podcasterin, wie ihr auf Twitter oder ihrer Website nachlesen könnt.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?Nach einem semi-erfolgreichen Abitur habe ich zunächst eine Ausbildung zur Buchhändlerin absolviert und ein paar Jahre in dem Beruf gearbeitet. Ein Stellenwechsel brachte mich in eine Firma, in der es mir nicht besonders gefiel – ich war die meiste Zeit allein in einer winzigen Filiale auf dem Dorf und die Atmosphäre unter den Kollegen war der Arbeitszufriedenheit auch nicht gerade zuträglich. So entstand der Wunsch, mich noch einmal komplett neu zu orientieren, um meine Potenziale besser auszuschöpfen. Ich las schon immer gern Sachbücher, gerade aus dem psychologischen und naturwissenschaftlichen Bereich, und ein Studium der Psychologie war für mich sehr verlockend. Dank der gesammelten Wartesemester konnte ich trotz mittelmäßigem Abi gleich loslegen. Während des Studiums habe ich meine Leidenschaft für die wissenschaftliche Methode kennengelernt und bereits ab dem zweiten Bachelorsemester als studentische Hilfskraft gearbeitet. Positives Feedback meiner Betreuer bestärkten mich in der Überzeugung, dass die Wissenschaft das Feld sein würde, in dem ich arbeiten möchte. Nach dem Masterabschluss wurde an der Professur, an der ich während des Studiums bereits gearbeitet hatte, eine Projektstelle angeboten, die ich im September 2016 angetreten habe.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin nach wie vor im Fachbereich der Ingenieurpsychologie unterwegs, die sich mit der Interaktion zwischen Mensch und Technik beschäftigt. Allerdings hat sich seit dem Zeitpunkt meiner letzten Kuration mein Promotionsthema geändert: Ich beschäftige mich nun mit Fitnesstrackern, wobei mich besonders interessiert, ob diese wirklich nachhaltig die Motivation zur Bewegung steigern können und wie unterschiedliche Gruppen von Nutzer*innen ihre Fitnesstracker einsetzen. Das sind meines Erachtens spannende Fragen, weil wir im Alltag ganz oft merken, wie uns die Technik um uns herum verändert und wir uns sogar oft der Technik anpassen. Besser zu verstehen, was intensive Techniknutzung mit uns macht, treibt mich an, und dafür ist die Nutzung von Fitnesstrackern ein prototypisches Beispiel.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Wenn ich nicht gerade an Manuskripten schreibe, dann widme ich mich der Betreuung von Abschlussarbeiten oder leite Seminare, zuletzt zur Techniknutzung im Alter. Darüber hinaus bin ich seit 2020 als Projektkoordinatorin unseres Sonderforschungsbereichs „Hybrid Societies“ tätig, der sich um die Erforschung der Interaktion mit verkörperten digitalen Technologien im öffentlichen Raum dreht, also beispielsweise autonom fahrenden Autos oder humanoiden Robotern. In diesem Sonderforschungsbereich arbeiten insgesamt über 100 Personen aus 29 Professuren aus allen acht Fakultäten der TU Chemnitz zusammen, um die Koordination mit solchen Zukunftstechnologien so reibungslos wie möglich zu gestalten. Gemeinsam mit einer Kollegin liegt meine Aufgabe unter anderem darin, den Überblick über die Projektfortschritte dieses großen Forschungsverbunds zu behalten und Kooperationen zwischen Mitarbeitenden zu erleichtern.
Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Unser Alltag ist ohne Technikinteraktion schon lange nicht mehr denkbar. Wir nutzen täglich Computer, Smartphones, Fahrzeuge, Küchengeräte oder Smartwatches. Diese Anwendungen entwickeln sich dabei ständig weiter. Während wir vor 20 Jahren noch in einen CD-Laden gegangen sind, um uns ein neues Album unserer Lieblingsband zu kaufen, öffnen wir heutzutage Spotify und lassen uns durch eine auf unseren Geschmack zugeschnittenen Playlist Musik vorschlagen, die uns gefallen sollte – wenn der Algorithmus denn funktioniert. Ich finde diese Entwicklungen unheimlich spannend, weil sie unser Verhalten nachhaltig verändern können, beispielweise in Bezug auf Musikkonsum, oder, um wieder zu den Fitnesstrackern zu kommen, in Bezug auf Alltagsbewegung. Oder man denke nur an die humanoiden Roboter: wenn diese in unserem Alltag angekommen sind, werden wir sie als ebenbürtige Interaktionspartner akzeptieren können? Das sind nur drei Beispiele, mit denen sich die Ingenieurpsychologie beschäftigt, die aber für die Öffentlichkeit auch hochspannend sind.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Im Jahr 2018 bin ich unter die Podcaster*innen gegangen. In meinen Podcasts beschäftige ich mich unter anderem mit Wissenschaftskommunikation, wie bei Brainflicks, in dem wir psychologische Forschungsbefunde anhand von Spielfilmen vermitteln. Daneben gibt es noch den Podcast Vielzimmerwohnung, der sich um das Leben mit und die Wissenschaft über die Dissoziative Identitätsstörung dreht. Kürzlich ist mit Science S*heroes ein weiterer Podcast erschienen, in dem mehr Sichtbarkeit für Frauen und nicht-binäre Personen aus der Wissenschaft geschaffen werden soll. Dabei wollen wir unter anderem ergründen, wie sich eine mehrfache Marginalisierung auf eine wissenschaftliche Karriere auswirken kann.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Seit der Corona-Pandemie beschäftige ich mich mit analoger Fotografie, was dazu führte, dass ich kürzlich angefangen habe, Spiegelreflexkameras aus den 70ern zu restaurieren. Das hätte ich vor ein paar Jahren selbst niemals gedacht…
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Ausschlafen, Kaffee trinken, währenddessen einen spannenden Science Fiction-Roman lesen, einen ausgiebigen Spaziergang machen und abends ins Kino gehen. Offenbar haben sich meine Präferenzen bezüglich freier Tage in den letzten Jahren nicht großartig geändert. ;)
Bitte begrüßt Christiane ganz herzlich zurück bei Real Scientists DE!
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