Wir freuen uns diese Woche auf unseren neuen Kurator Andie Rothenhäusler (@goldenassam)! Andie hat Geschichte und Medienwissenschaft am Karlsruher Institut für Technologie studiert und promoviert aktuell zu einem technikhistorischen Thema an der TU Darmstadt. Neben seiner Doktorarbeit arbeitet er in der Wissenschaftskommunikation und im Medienbereich, bis April 2022 als Autor und Producer des ZDF-Formats "Terra X Geschichte - der Podcast". In seiner Dissertation beschäftigt er sich mit Debatten um Technikakzeptanz in den 1980er Jahren in Westdeutschland.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich fand Geschichte immer schon spannend - dass es aber ausgerechnet Technikgeschichte werden sollte, war eher Zufall. Kurz nach dem Abi wusste ich nicht mal, dass es das als eigene Disziplin gibt. An meinem Studienort Karlsruhe habe ich dann in ein paar Vorlesungen reingeschnuppert und war beeindruckt, wie komplex die Fragestellungen sind. Davor hätte ich mich selbst nicht unbedingt als technisch interessiert beschrieben - inzwischen habe ich das Gefühl, dass das Thema sehr wichtig ist, da technische Entwicklungen uns viel über eine Gesellschaft verraten, diese aber auch stark verändern können.Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Eine beispielhafte Erkenntnis daraus, die mich selbst erstaunt hat: Wir sehen seit den 1980ern eine starke Polarisierung beim Thema Atomkraft - eher linkere Parteien lehnen sie ab, konservative und wirtschaftsnahe Parteien sind eher offen für sie. Zu Beginn der 1970er Jahre war Atomenergie hingegen noch erstaunlich unpolarisiert und taugte vor allem nicht dazu, Wähler*innen zu motivieren, da weitgehend alle Parteien sie mittrugen. Die politische Austarierung, die wir heute kennen und die für uns selbstverständlich geworden ist, vollzog sich also innerhalb eines einzigen Jahrzehnts - und ich finde die Frage spannend, durch welche Faktoren sie auf der Mikroebene bewirkt wurde.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Wirklich gerne mochte ich meinen letzten Job als Autor und Producer des ZDF-Formats "Terra X Geschichte - der Podcast" mit Mirko Drotschmann. Ich fand das Jahr in der Medienbranche unglaublich spannend und habe sehr viel gelernt. Gleichzeitig hat es mir die Augen dafür geöffnet, wie wenig junge Menschen lange Zeit bei der Kommunikation von (Geschichts-)Wissenschaft mitgedacht wurden. Mirko, vielen bekannter als MrWissen2Go, erreicht eine vergleichsweise junge Zielgruppe - im Gegensatz dazu ist der Altersdurchschnitt vieler öffentlicher Wissenschafts-Veranstaltungen oft 50 plus.
Natürlich sollte es unser Ziel sein, alle Altersgruppen gleichermaßen zu erreichen - aber vielleicht sollten wir uns eingestehen, dass der an der Uni erlernte Habitus es erschwert, unsere Forschung gerade jungen Menschen zu kommunizieren, die diese (noch) nicht besucht haben. Und die ohnehin schon weniger Mitspracherechte und Gestaltungsmöglichkeiten haben.
Natürlich sollte es unser Ziel sein, alle Altersgruppen gleichermaßen zu erreichen - aber vielleicht sollten wir uns eingestehen, dass der an der Uni erlernte Habitus es erschwert, unsere Forschung gerade jungen Menschen zu kommunizieren, die diese (noch) nicht besucht haben. Und die ohnehin schon weniger Mitspracherechte und Gestaltungsmöglichkeiten haben.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich interessiere mich vor allem dafür, wie technische Innovationen in einer bestimmten Epoche wahrgenommen werden - welche Konflikte es um sie gibt - und was uns das über das Denken von Menschen in der Moderne verrät. In meiner Dissertation geht es um politische Debatten, die in den 1980er Jahren in Westdeutschland um Technik geführt wurden. Interessanterweise hat mich das aber auch wieder etwas von der Technikgeschichte weggeführt - und mehr in die Richtung Politik- und Zeitgeschichte, Umfrageforschung und Politikwissenschaft.
Für meine Doktorarbeit habe ich mir zu bestimmten Begriffen Korpusse aus möglichst vielen online zugänglichen Zeitungsarchiven zusammengestellt, hinzu kommen Sachbücher aus den 1980ern, Bundestagsprotokolle und viele, viele politische Programme und Broschüren. Anhand dieser Textmenge - mehrere Citavi-Projekte mit tausenden Einzelquellen - versuche ich nachzuvollziehen, was sich einzelne Parteien oder Institutionen von einer bestimmten Technologie versprachen, wie für oder gegen sie argumentiert wurde und ob dies aus Sachgründen, Überzeugung oder vielleicht sogar eher opportunistischen Motiven heraus geschah.
Für meine Doktorarbeit habe ich mir zu bestimmten Begriffen Korpusse aus möglichst vielen online zugänglichen Zeitungsarchiven zusammengestellt, hinzu kommen Sachbücher aus den 1980ern, Bundestagsprotokolle und viele, viele politische Programme und Broschüren. Anhand dieser Textmenge - mehrere Citavi-Projekte mit tausenden Einzelquellen - versuche ich nachzuvollziehen, was sich einzelne Parteien oder Institutionen von einer bestimmten Technologie versprachen, wie für oder gegen sie argumentiert wurde und ob dies aus Sachgründen, Überzeugung oder vielleicht sogar eher opportunistischen Motiven heraus geschah.
Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Viele Fragestellungen aus meinem Dissertationsprojekt beschäftigen uns alle auch in der Gegenwart: Wie kann technischer Fortschritt gestaltet werden, ohne mit sozialen oder ökologischen Konflikten einherzugehen? Finden Menschen ausreichend Gehör, die auf Probleme einer bestimmten Technologie hinweisen? Und wie gehen wir mit einer Technologie um, die kurzfristig die Wirtschaft ankurbelt - aber langfristig soziale, psychische oder Umwelt-Kosten erzeugt, die ihren ökonomischen Nutzen in den Schatten stellen? Diese Fragen stellen sich nicht nur bei Technologien wie der Atomkraft, sondern auch bei Digitalisierung, sozialen Netzwerken, Straßenverkehr oder Onlinehandel, also Themen, mit denen wir alle täglich zu tun haben.
Natürlich sollte es unser Ziel sein, alle Altersgruppen gleichermaßen zu erreichen - aber vielleicht sollten wir uns eingestehen, dass der an der Uni erlernte Habitus es erschwert, unsere Forschung gerade jungen Menschen zu kommunizieren, die diese (noch) nicht besucht haben. Und die ohnehin schon weniger Mitspracherechte und Gestaltungsmöglichkeiten haben.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Im wunderschönen Mainz joggen gehen, mit Menschen angeregte Gespräche über alle möglichen Themen führen, an einem meiner vielen Nebenprojekte basteln (üblicherweise etwas mit Grafik- und Webdesign).
Bitte begrüßt Andie ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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