Sunday, October 9, 2022

Zwischen den Phasen in der Verfahrenstechnik - Lutz Böhm ist jetzt bei Real Scientists DE!

Wir freuen uns diese Woche auf unseren neuen Kurator Lutz Böhm (@drlutzboehm)! Lutz hat 2009 das Diplom ider Fachrichtung ''Verfahrens- und Energietechnik'' gemacht und arbeitet seitdem am Fachgebiet Verfahrenstechnik der Technische Universität Berlin. 2015 hat er eine Promotion zum Thema Comparison of single bubble and bubble swarm behavior in narrow gaps inside flat sheet membrane modules erfolgreich zu Ende gebrachtSeitdem arbeitet er als Postdoktorand, hat sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Transportphänomene in reaktiven Newtonschen und nicht-Newtonschen Mehrphasensystemen'' aufgebaut und betreut momentan sieben Doktorand:innen.

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Etwas kompliziert. Zum Ende meines Studiums konnte ich mir eine Promotion und damit die wissenschaftliche Arbeit vorstellen, während viele meiner Mitstudierenden eigentlich nur raus in die Industrie wollten. Irgendwie auch normal bei uns Ingenieur:innen. Ein bisschen ist es durch meinen Vater bedingt, der im Prinzip meinte, dass es ohne die Promotion in der Karriere gläserne Decken gibt, die nicht durchbrochen werden können, man also irgendwann nicht mehr weiter aufsteigen kann. Das ist übrigens in der Ingenieurskarriere durchaus bis zu einem gewissen Grad richtig (aber auch nicht zwangsläufig). Naja, am Ende haben vergleichsweise viele meiner Mitstudierendenden den Weg der Promotion verfolgt, was auch nicht wenig mit der Wirtschaftskrise 2007 und folgend zusammenhing. In der Uni gab es halt noch Jobs, während auch große Unternehmen einen Einstellungsjob lebten. Klingt alles relativ unromantisch, aber so ist es nun mal. Bei mir war das aber, wie gesagt gar nicht der Grund. Ich hatte Lust auf die Promotion und kannte durch meine studentische Tätigkeit am Fachgebiet das Arbeitsumfeld schon. Da hatte ich richtig Lust drauf und habe mich dafür entschieden in Berlin zu bleiben, obwohl ich auch eine Zusage an der vielleicht sogar renommierteren RWTH Aachen hatte.


Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?

Mein aktuelles Feld als PostDoc im Bereich der Verfahrenstechnik lautet „Transport phenomena in reactive Newtonian and non-Newtonian multiphaseflow“ und ist eine logische Fortentwicklung dessen, was ich schon selbst in meiner Promotion gemacht habe, und was mich daneben sowieso interessiert hat. Das spannende daran ist, dass man es auf allen Ebenen betrachten kann, von fundamental im ganz kleinen Maßstab bis zur >500m³ Anlage. Nur kurz: Phasen sind hier also zum Beispiel Gas, Flüssigkeit, Feststoff. Also, wenn man mehr als eine Phase hat, wird das Forschungsfeld schon riesig. In der Realität sind die Systeme häufig aber eben sogar noch komplexer, was sich im Namen meiner Arbeitsgruppe widerspeigelt.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich bin grundsätzlich erstmal ein Wissenschaftlicher Mitarbeit, der über den Haushalt der Uni bezahlt wird. Das bedeutet auch, dass ich Verpflichtungen im Bereich der Lehre, Forschung und universitären Selbstverwaltung habe. Um mal mit letzterem anzufangen bin ich in ein paar Gremien, wo es um die Verteilung von Mittel und Personal in der Fakultät geht und auch um andere Entscheidungen auf Instituts- und Fakultätsebene. 
In der Lehre betreue ich die zwei größten Lehrveranstaltungen bei uns am Fachgebiet. Das eine Fach heißt Physikalische Chemie und ist eine Mischung aus Thermodynamik und Reaktionstechnik. Das andere nennt sich Energie-, Impuls und Stofftransport und da lernen die Studierenden zB warum Schiffe schwimmen können und vor allem, wie man Apparate in der (chemischen) Industrie auslegen kann. Das sind unsere größten Lehrveranstaltungen, weil diese Fächer u.a. von Studierenden der Biotechnologie, dem Technischen Umweltschutz, der Werkstofftechnik, der Lebensmitteltechnologie usw. besucht werden.
Im Bereich der Forschung stehe ich tatsächlich inzwischen normalerweise nicht mehr selber im Labor, auch wenn man das für Photos gerne mal so macht. Ich beantrage Projekte und betreue Doktorand:innen, so dass sie hoffentlich erfolgreich ihr Projekt bearbeiten können. Im besten Fall schreibe ich Übersichtsartikel und präsentiere diese auf Konferenzen.

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Meine erste Reaktion leite ich mal von Mai Thi Nguyen-Kim ab und frage: wie kann man sich nicht für MINT Fächer interessieren? Es ist super vielfältig und man lernt die Welt um sich herum zu verstehen.
Speziell auf meinen Bereich bezogen: Potentielle Arbeitgeber für Verfahrenstechniker:innen sind die Chemie-, Pharmazie-, Kosmetik-, Umwelt- und Lebensmittelindustrie. Neben dem klassischen Maschinenbau sind das mit die größten Arbeitgeber in Deutschland und insbesondere die Chemieindustrie wird auch in Zukunft eine extrem wichtige Rolle in der Umstellung dieses Landes auf die neuen Gegebenheiten spielen. Ohne die Chemieindustrie gibt eine keine Wärmedämmung für Häuser, keine Solarzellen, keine neuen Materialien für Batterien und so weiter. An der Herstellung praktisch all dieser wichtigen Prozesse sind Mehrphasensysteme, mein Forschungsthema, beteiligt. Um noch ein anderes wichtiges Thema zu nennen: Will man CO2 aus Abgasströmen herausholen, kann man dieses Gas durch Flüssigkeiten „blubbern“ lassen, das CO2 geht in die Flüssigkeit über und reichert sich dort an, so dass es nicht mit dem Abgas in die Umgebung abgegeben wird. Mit verschiedensten Aspekten dieser Themen beschäftigt sich meine Arbeitsgruppe.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Naja, zusammen mit Kollegen bin ich zB für den Web und Social Media Auftritt unseres Fachgebiets zuständig. Das umfasst einen Instagram- und auch unseren Youtube-Kanal. Und abgesehen davon versuche ich einigermaßen aktiv auf meinem eigenen Twitter Account zu sein. Meine Hauptanliegen sind dort Wissenschaftskommunikation auf verschiedensten Ebenen, von Kolleg:innen bis zur normalen Person, die mit MINT so gar nichts am Hut hat, aber sich vielleicht trotzdem ein bisschen dafür interessiert, und allgemeine Dinge, die mit dem Wissenschaftsbetrieb zu tun haben.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Interessante Hobbies sind eine gute Frage, da ich mit Job und Family schon echt gut eingespannt bin. Trotzdem: Seit vielen Jahren habe ich ein Abo bei einem Hörbuchanbieter und habe dort seit – das erstaunt mich selber – gut 100 Monaten etwa jeden Monat ein Buch gehört. Da gibt es auch Achievements und, wenn auch nicht im echten Leben, habe ich dort zumindest den Status „Professor“. :-) Wenn ich zeit finde, spiele ich gerne noch Playstation, aber dafür habe ich viel zu wenig Zeit. Meine Follower wissen außerdem, dass ich sehr gerne auf Konzerte gehe. Ein Hobby, das sehr in den heftigeren Corona-Zeiten gelitten hat, dieses Jahr aber wieder gut ausgelebt wurde.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Meine spontane Antwort, da steckt immer noch der Student  in mir, ist das berühmte Zitat von Harald Juhnke: keine Termine und leicht einen sitzen. Aber mal im Ernst: schlafen, alles andere ist fast egal. Ich glaube, alle mit kleinen Kindern werden das verstehen.

Bitte begrüßt Lutz ganz herzlich bei Real Scientists DE!


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