Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Joschka Haltaufderheide (@joschkahalt.bsky.social)! Joschka ist Philosoph und Medizinethiker und arbeitet seit 2022 an der Juniorprofessur für Medizinethik mit Schwerpunkt auf Digitalisierung an der Universität Potsdam. Davor hat er an der Ruhr-Universität Bochum gearbeitet, wo er 2015 auch promoviert hat. Er forscht zu ethischen Fragen von digitalen Gesundheitstechnologien zum Beispiel zum Einsatz von Large Language Modellen in der Medizin und sozialen Robotern in der Altenpflege.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Zu Beginn meines Studiums hatte ich allenfalls eine sehr vage Vorstellung davon, was Wissenschaft ist. Aber das Denken in Begriffen und Konzepten hat mich fasziniert. Also habe ich Philosophie und Literaturwissenschaften studiert. Während meines Studiums hatte ich dann das große Glück, auf leidenschaftliche Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zu treffen, die mich ermutigt haben, diesen Weg zu versuchen. Ich war mir erst nicht sicher, ob ich das kann und will – ich habe es einfach ausprobiert und habe seitdem den besten Beruf der Welt.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich arbeite in der Medizinethik. Das ist die
wissenschaftliche Reflexion von Fragen des guten und richtigen Handelns im
Bereich des Gesundheitswesens. Ich forsche zum Beispiel zur Nutzung von
künstlicher Intelligenz in der Medizin und dem Einsatz von sozialen Robotern in
der Altenpflege. Die Medizinethik ist etwas ganz Besonderes. Man kann sich mit
ihr als Wissenschaftler wunderbar zwischen alle Stühle setzen.
Medizinethikerinnen und Medizinethiker arbeiten geisteswissenschaftlich, sind
aber oft an medizinischen oder gesundheitswissenschaftlichen Fakultäten
angestellt, wo sie zum Beispiel die Ethiklehre für das Medizinstudium
übernehmen. Medizinethik ist eine angewandte Ethik, also praktische
Philosophie, aber sie verwendet auch empirische Methoden, zum Beispiel aus der
Sozialwissenschaft. Ihr Ziel ist es, Theorie und konkrete Praxis
zusammenzubringen und am Ende des Tages sagen zu können, was richtig und gut
ist. Ich mag das interdisziplinäre und anwendungsnahe Arbeiten mit einer
Kombination von Expertisen und Methoden, die man kaum in einem anderen Bereich
so findet.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
In meiner Arbeit geht es um die ethischen Auswirkungen des Einsatzes von digitalen Gesundheitstechnologien. Was bedeutet es, wenn eine künstliche Intelligenz an der Diagnose beteiligt ist? Können und dürfen Roboter menschliche Pflege ersetzen? Sollten wir generative künstliche Intelligenz in der Psychotherapie einsetzen? Bei diesen Fragen geht es ganz oft darum, was wir mit solchen Technologien machen: Was sind die Folgen, Auswirkungen und Risiken. In meiner Forschung drehe ich das Bild um. Ich frage zuerst, was macht die Technologie mit uns? Wie verändert sich unsere Wahrnehmung und unsere Art zu handeln mit Technologie? Und ist das gut?
Dieser andere Blick ist spannend, weil er offenlegt, dass
die Technologien, die uns im Gesundheitsbereich mittlerweile überall umgeben,
eben keine einfachen neutralen Werkzeuge sind, die man nur gut oder schlecht
benutzen kann. Sie sind selbst „wertbeladen“ und können unser Handeln in
bestimmte Richtungen beeinflussen. Das zu verstehen, darüber zu reflektieren
und damit umgehen zu können ist sehr wichtig.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Die Digitalisierung des Gesundheitswesens schreitet rasant
voran. Neue Gesundheitstechnologien bieten viele Potenziale aber auch große
Risiken. Ein verantwortlicher Umgang mit solchen Technologien setzt Wissen
darüber voraus, was ethisch angemessen ist. Diese Fragen betreffen individuell
jeden, der schon einmal ein Arzt besucht hat und unsere Gesellschaft als
Ganzes, die sich demokratisch darüber verständigen muss, was für eine
Gesundheitsversorgung wir in Zukunft wollen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen
Aufgaben/Tätigkeiten?
Medizinethikerinnen und Medizinethiker arbeiten nicht nur in
der akademischen Forschung, sondern oft auch im Rahmen der konkreten ethischen
Beratung – sei es in der medizinischen Forschung oder in der Krankenversorgung.
Ich bin im Moment unter anderem in der forschungsethischen Beratung eines
Projektes der European Research Commission tätig und gründe gerade mit
Kolleginnen und Kollegen eine außerklinische Ethikberatung für Brandenburg.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich fürchte ich bin ein Nerd. Neben einer ausgeprägten
Leseleidenschaft verliere ich mich leidenschaftlich gern in mitunter ziemlich
spleenigen Technikprojekten. Von einer KI, die nachts die Füchse in meinem
Garten auseinanderhält bis hin zu allen möglichen kleinen Gadgets und
Helferlein. Gibt es nicht? Dann bau ich‘s halt! Geht oft genug schief, ist aber
immer kurzweilig.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur
Menschen)?
Mein idealer
Tag beginnt mit einem späten Frühstück, danach gehe ich ein kleines bisschen
Sport machen und widme mich dann irgendeinem verschrobenen kleinen
Bastelprojekt oder verbringe Zeit mit meiner Familie. Nachmittags kommen
vielleicht meine Geschwister zum Kaffeetrinken vorbei und abends treffe ich
mich mit ein paar Freunden und wir spielen was zusammen. Irgendwann, wenn es
ruhig wird, krabbel ich noch ein bisschen in meinen Lieblingssessel und lese
ein paar Seiten bevor ich einschlafe.
Bitte begrüßt Joschka ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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