Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Andrea Amri-Henkel (@amri-henkel.bsky.social)! Andrea ist Nachhaltigkeitswissenschaftlerin am Institut für Zukunftsenergie- und Stoffstromsysteme (IZES) in Saarbrücken. Sie studierte Regionalstudien Lateinamerika und VWL (B.A.) an der Universität zu Köln sowie Nachhaltigkeitswissenschaften (M.Sc.) an der Leuphana Universität Lüneburg, wo sie im Bereich Nachhaltigkeitspolitik promovierte. Ihre Forschung verbindet Nachhaltigkeitswissenschaft, kritische Theorie und Geschlechterforschung mit einem Schwerpunkt auf nachhaltiger Mobilität. In Reallaboren untersucht sie, wie gesellschaftliche Macht- und Ungleichheitsverhältnisse das Mobilitätssystem prägen – und wie gerechtere, zukunftsfähige Alternativen entwickelt werden können.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Während meiner Masterarbeit wurde ich von meiner späteren Doktormutter, Prof. Dr. Sabine Hofmeister, in ein geplantes Forschungsprojekt eingebunden. Da sich der Projektstart – wie so oft in der Wissenschaft – verzögerte, nutzte ich die Zeit, um meine Dissertation vorzubereiten und mich auf Stipendien zu bewerben. So konnte ich direkt nach Abschluss des Projektes nahtlos in die Promotion starten. Das Stipendium ermöglichte mir, Forschung und Familienleben (inzwischen mit Kindern) zu verbinden. Es war also auch ein Stück Glück, besonders da ich als „First Generationer“ eine wissenschaftliche Karriere ohne Unterstützung meines Umfeldes vermutlich nicht in Erwägung gezogen hätte. Heute habe ich die einmalige Möglichkeit, genau an den Themen zu arbeiten, die meine Leidenschaft sind – ein Privileg, für das ich sehr dankbar bin.
Warum hast du dich für dein
aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin über meine Masterarbeit in den Themenbereich gesellschaftliche Natur-
und Geschlechterverhältnisse eingestiegen. Soziale Ungleichheiten und ihre
Ursachen, etwa in der politischen Ökonomie, beschäftigen mich schon seit meiner
Jugend. In meiner Promotion konnte ich dieses Forschungsprogramm im Feld der
Nachhaltigkeitspolitik vertiefen. Seit meiner Tätigkeit am IZES liegt mein
Schwerpunkt verstärkt auf Mobilität – einem Feld, in dem gesellschaftliche
Konfliktlinien derzeit besonders sichtbar werden: von alltäglichen
Verteilungsfragen, z.B. um Parkraum bis hin zu autoritären Bestrebungen und
Desinformation. Kritische, gesellschaftsbezogene Forschung ist hier besonders
relevant, weil sie die Voraussetzungen für eine gerechte Mobilitätswende
schaffen kann. Zudem ist die klassische Mobilitätsplanung stark auf
Erwerbsarbeit fokussiert. Eine intersektionale Genderperspektive eröffnet die
Möglichkeit, Ungleichheiten zu adressieren und Gruppen stärker in den Blick zu
nehmen, die bisher marginalisiert sind – etwa Sorgearbeit Leistende, ärmere
Gruppen, Kinder oder mobilitätseingeschränkte Personen.
Erzähle uns etwas über deine
Arbeit!
In meiner Dissertation habe ich Bundestagsdebatten zur Energiewende
diskursanalytisch untersucht und gezeigt, wie politische Auseinandersetzungen
um Nachhaltigkeit von hegemonialen Diskursen sowie von Abwertungs- und
Ungleichheitsstrukturen geprägt sind. Statt sozialer oder ökologischer Fragen
dominieren häufig technologische und ökonomische Steuerungslogiken innerhalb
idealisierter marktwirtschaftlicher Strukturen.
Im gerade abgeschlossenen BMWK-geförderten Projekt SUZANNA haben wir erarbeitet, wie Suffizienzstrategien so kommuniziert werden können, dass unterschiedliche soziale Voraussetzungen berücksichtigt und Verantwortlichkeiten nicht individualisiert werden. Seit Anfang des Jahres ist unser BMFTR-gefördertes Projekt Saarmila gestartet, in dem wir untersuchen, wie Mobilität im Saarland gerechter gestaltet werden kann – etwa durch On-Demand-Angebote, eine stärkere Berücksichtigung der Mobilitätsbedürfnisse von Kindern, die Entlastung Sorgearbeit Leistender und eine teilhabeorientierte Planungskommunikation.
Übergreifend interessiert mich, wie sich diskurstheoretische, Gender- und Nachhaltigkeitsperspektiven verbinden lassen, um Abwertungsstrukturen in Transformationsprozessen sichtbar zu machen – und Impulse für gerechtere Zukünfte zu geben.
Motivation: Warum sollte sich
die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Mobilität betrifft alle – Kinder, die eigenständig Wege zur Schule oder Kita
zurücklegen, ebenso wie Kinder, die gebracht werden; ältere Menschen, die ihre
Mobilität selbst gestalten, ebenso wie diejenigen, die begleitet werden. Sie
betrifft Pendelwege zur Arbeit, Einkäufe, Erledigungen und Freizeitgestaltung.
Ungerechte Mobilitätssysteme wirken sich unmittelbar auf den Alltag aus. Meine
Forschung zeigt, wie Mobilität gerechter und nachhaltiger gestaltet werden kann
– und warum dies eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe ist.
Hast du irgendwelche
interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ja, ich engagiere mich im Koordinationsteam von Scientists for Future Saarland
und als Sprecherin in der AG GENAU*T, einer Arbeitsgruppe der Fachgesellschaft
Geschlechterstudien, in der der Zusammenhang von sozial-ökologischer
Transformation und Geschlecht im Fokus steht. Feminismus, soziale Ungleichheit,
Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind meine Herzensthemen – beruflich wie privat.
Irgendwelche interessanten
Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich gehe gerne spazieren und treffe mich mit Freund*innen – am liebsten bei
gutem Essen im Restaurant, ganz ohne Selbstkochen! Außerdem genieße ich die
Zeit mit meinen Kindern – das ist für mich der beste Ausgleich, wofür ich sehr
dankbar bin.
Wie sieht dein idealer freier
Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Zunächst einmal lange schlafen, dann ein ausgiebiges und leckeres Frühstück.
Den Rest des Tages draußen mit den Kindern verbringen – zum Beispiel bei einem
Ausflug oder einer Wanderung – und den Tag schließlich mit Kochen und gutem
Essen mit Freund*innen oder Familie ausklingen lassen.
Bitte begrüßt Andrea ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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