Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Tabea Henn (@klios_spiegel)! Tabea Henn ist studierte Historikerin. Von Oktober 2015 bis Mai 2022 absolvierte sie ein Geschichtsstudium an der Universität Hamburg. Ihre Schwerpunkte liegen dabei auf der NS-Geschichte, der Zeitgeschichte und der Public History. Seit 2021 ist sie auch als Wissenschaftskommunikatorin in den Sozialen Medien vertreten, unter dem Motto: „@klios_spiegel: Was Historiker*innen wirklich über die Vergangenheit sagen können und was das für unsere Gegenwart bedeutet.“
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
In meinem vorletzten BA-Semester besuchte
ich ein Seminar bei Sebastian Kubon (Twitter: @SebastianKubon) zum Thema
„Medievalism“ (gemeint ist damit die Rezeption des Mittelalters in unserer
Gegenwart). Dadurch lernte ich das Fach der Public History kennen, welches analysiert,
wie in unserer Gegenwart mit Geschichte umgegangen wird. Nachdem ich in diesem
Fachbereich studentische Hilfskraft geworden war und mich somit immer mehr mit
dem Thema beschäftigte, wollte ich irgendwann auch selbst kommunizieren.
Schnell habe ich aber gemerkt, dass ich die Wissenschaftskommunikation meines
Faches nicht gut finde (Dazu mehr unter Punkt 8 😉). Einen
eigenen Instagram-Kanal habe ich erstellt, weil ich als Masterstudentin keine
Möglichkeit sah, eine institutionelle Anbindung zu bekommen, da die meisten
Angebote erst ab der Promotionsphase offen sind. Zwar hat sich das im
Nachhinein ein wenig als Trugschluss erwiesen und ich hätte offensiver
auftreten sollen, trotzdem bin ich froh über meine Entscheidung. Ich war völlig
frei in der Konzeptentwicklung und ich bin stolz darauf, den Kanal allein neben
dem Studium aufgebaut zu haben.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Bereits in der Schule war Geschichte mein
Lieblingsfach. Da ich nach dem Abitur nichts Besseres mit mir anzufangen
wusste, habe ich das Fach angefangen zu studieren. Bereits am ersten Tag lernte
ich, dass die Geschichtswissenschaft nicht das gleiche ist, wie das was wir im
Alltagsgebrauch als „Geschichte“ bezeichnen. An der Universität geht es nicht
darum zu erzählen, was wirklich in
der Vergangenheit passiert ist, sondern zu ergründen, wie es gewesen sein könnte. Entscheidend ist dabei die
gegenwärtige Perspektive. Denn jede Gesellschaft stellt in ihrer Zeit andere
Fragen an die Vergangenheit. Damit ändern sich auch immer wieder die Antworten
der Geschichtswissenschaft, sowie die Bilder, die wir über vergangene Zeiten
haben. Dies hat während meines Bachelorstudiums zu einer beruflichen Krise
geführt: Wenn es ohnehin keine eindeutigen Antworten gibt, was mache ich dann hier?
Daraus führte mich die Public History und mittlerweile interessiere ich mich
viel mehr dafür, wie wir in unserer Gesellschaft mit Geschichte umgehen und
nicht mehr so sehr, was in der Vergangenheit passiert ist.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Bei meinem Instagram-Kanal in ich frei, was die Gestaltung und die Inhalte angeht. Ich mache nur das, worauf ich Lust habe und was mich auch interessiert. Schnell habe ich mich davon verabschiedet, mich an historischen Daten oder aktuellen Ereignissen zu orientieren, wie das viele meiner geschätzten Historikerkolleg*innen machen. Das setzt mich nur unter Stress und schränkt mich in der Themenwahl zu sehr ein. Stattdessen erkläre ich, wie die Geschichtswissenschaft funktioniert und was sie zur Wissenschaft macht. Ebenso thematisiere ich, wie wir in unserer Gesellschaft mit Geschichte umgehen und warum wir das auf diese Weise und nicht anders tun. Daher auch der Name des Kanals. Klio ist die griechische Muse der Geschichtswissenschaft und Geschichte immer auch ein Spiegel unserer Gesellschaft.
Auch bei meinen anderen beiden Tätigkeiten steht die Kommunikation im Mittelpunkt: Als Guide in der KZ-Gedenkstätte Neuengamme geht es v.a. um die Vermittlung von Wissen. Meistens in drei bis vier Stunden führt man eine Schulklasse über das Gelände des ehemaligen Konzentrationslagers. Das Gelände ist ca. 55 Hektar groß mit mehreren Orten und Ausstellungen. Man braucht also einen roten Faden mit starkem Fokus, aber auch Flexibilität, um auf die jeweilige Schulklasse eingehen zu können. Einen Frontalvortrag wollen wir nämlich nicht halten!
Bei Jugend forscht
habe ich erst Anfang des Monats angefangen. Eingestellt wurde ich, um den
Auftritt in den Sozialen Medien grundlegend neu zu konzipieren. So viel kann
ich schon mal verraten: Der Fokus wird in Zukunft weniger auf Ankündigungen für
institutionelle Veranstaltungen liegen, sondern mehr auf der Geschichte des
Wettbewerbs und der Wissenschaftskommunikation über die Projekte und
Experimente der Jungforschenden. Denn man muss nicht „Prof. Dr.“ sein und eine
lange Karriere hinter sich haben, um tolle Ideen zu entwickeln und großartige
Entdeckungen zu machen. Das passiert auch schon im Kleinen ganz am Anfang.
Diese Arbeit möchte ich in Zukunft sichtbar(er) machen!
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren? Mit meiner Wissenschaftskommunikation habe
ich insbesondere aus zwei Gründen angefangen: Die aktuelle
Wissenschaftskommunikation ist auf die Naturwissenschaften fokussiert. Das soll
nicht das Engagement Einzelner oder die Wichtigkeit dieser Fächer schmälern.
Doch damit haben wir eine sehr einseitige Beschreibung der Welt. Mit meiner
Kommunikation will ich zeigen, dass auch die Geisteswissenschaften Antworten
auf die Fragen unserer Zeit geben können.
Ebenfalls gefällt mir die momentane Wissenschaftskommunikation der Geschichtswissenschaft nicht – wenn man davon überhaupt in der Form sprechen kann. So gut wie immer sind es Geschichten aus der Vergangenheit – „irgendwo ist irgendwas mal passiert“ –, die erzählt werden. An sich ist das eine legitime Form der Vermittlung, sollte meiner Meinung nach aber nicht darauf beschränkt bleiben. Vielen Geisteswissenschaftler*innen wird abgesprochen überhaupt „richtige“ Wissenschaftler*innen zu sein. Wenn man sich im Fall der Geschichtswissenschaft aber vorrangig als – überspitzt formuliert – „Märchenerzähler*in“ präsentiert, darf man sich über dieses Image nicht wundern. Genau deswegen ist es mein Ziel, dem etwas entgegenzusetzen und Themen auf eine andere Art zu kommunizieren.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
/
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich handarbeite sehr gerne. Ein
aktuelles Projekt, was sich so langsam dem Ende nähert, ist ein
selbstgehäkeltes Mensch-ärgere-Dich-nicht-Feld. Vielleich zeige ich davon ja
noch ein Bild 😉.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Auf jeden Fall ausschlafen und dann was Leckeres zum Essen! Ansonsten lasse ich
mich an solchen Tagen einfach gerne treiben und mache, worauf ich Lust habe.
Wichtig dabei: Kein Social Media und weder Fachliteratur noch Sachbücher lesen.
Das Gehirn braucht auch mal eine Pause!
Bitte begrüßt Tabea ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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