Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Manuel Kamenzin (@3mKa1)! Manuel ist promovierter Mittelalterhistoriker. Er arbeitet aktuell als akademischer Rat (auf Zeit) am Historischen Institut der Ruhr-Universität Bochum. Zuvor war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Historischen Seminar der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Dort hat er im Rahmen seines Dissertationsprojekts zu Sterben und Tod von Königen und Kaisern geforscht (2020 als Buch erschienen). Momentan untersucht er das Wechselspiel von Prophetie und Politik im späten Mittelalter. Er interessiert sich für Historiographiegeschichte (Geschichte der Geschichtsschreibung), Prophetie, Materialität, Sterben und Tod, Wissenschaftsgeschichte, Digital Humanities … und füttert soziale Medien mit Mittelaltercontent.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich war im Studium von Wissenschaft stark fasziniert und wollte verstehen, wie denn genau dieses Wissen zustande kommt, das ich lernen sollte – warum ist diese Lehrmeinung so, woher wissen wir das überhaupt. Hilfskraftstellen gaben mir dann nicht nur die Möglichkeit, die Miete zu zahlen, sondern ermöglichten auch immer mehr Einblicke – in den Kaninchenbau. Forschung ist, wie Kunst, sehr besitzergreifend. Schließlich durfte ich Tutorien geben, was mir auch sehr viel Spaß gemacht hat. Damit waren Forschung und Lehre beisammen und ich wollte Historiker werden. Bislang hat es geklappt, toi-toi-toi.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Glück und Zufall – ich habe tolle Lehrveranstaltungen besucht, anscheinend nicht zu viele dumme Dinge gesagt und war bei der einen Germanistik-Prüfung einfach krank. So konnte ich Stück für Stück eine Epoche entdecken, die mir vorher nicht wirklich viel außer Klischees gesagt hat. Dabei bin ich über Themen gestolpert, die mich besonders fasziniert haben, während ich bei anderen froh war, dass jemand anders das macht und ich mir die Ergebnisse anschauen kann. Man muss auch betonen, dass andere mir überhaupt erst die Möglichkeit gegeben haben, diesen Interessen beruflich nachzugehen. Das ist ein Privileg, für das ich sehr dankbar bin. Es kommt noch ein ganz praktischer Aspekt dazu – im Vergleich zu anderen Epochendisziplinen ist die Mittelalterforschung schon seit einiger Zeit digital gut aufgestellt (und es wird immer besser). Ich mag es sehr, wenn es gute Tools für meine Arbeit gibt, Material online verfügbar ist und ich einfach arbeiten kann.
Was
mich immer noch hält? Die andauernde Begeisterung für die Quellen, die
Studierenden, meine KollegInnen, Diskussionen führen und kritische Rückfragen
bekommen, die Vielfalt der Zugriffe, das Gefühl, wenn man glaubt, dass man die
Lösung gefunden hat und das Lachen, wenn einem wieder einfällt, dass es die
eine Lösung nie gibt.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich lese viel, denke viel, schreibe viel und spreche viel. Zum Glück mag ich diese Aktivitäten und zum Glück ist das überspitzt. Als Mittelalterhistoriker beschäftige ich mich mit den Quellen, was oftmals lesen bedeutet. Wer meine Vorträge oder Twitter-Accounts kennt, weiß allerdings, dass ich auch eine besondere Vorliebe für Miniaturen (kleine Bilder in mittelalterlichen Handschriften) habe. Für meine Dissertation habe ich mich dazu noch mit Gebeinsuntersuchungen auseinandergesetzt, seither begleiten mich auch Darstellungen von sterblichen Überresten. Ob nun Schädel eines Königs oder prophetischer Text, wie jeder andere auch muss ich zuerst mal darüber nachdenken, was mir da angeschaut habe. Im Idealfall fällt mir etwas auf, ich sehe eine Verbindung oder einen Ansatzpunkt für Vergleiche. Das ist super, wenn es funktioniert, denn ich werde für dieses Nachdenken bezahlt (wenn auch nur in einem seltsamen Bruchteil). Wenn es nicht funktioniert, ist es nicht super, denn ich werde für dieses Nachdenken bezahlt. In diesem Fall – nochmal von vorn. Später kommt die Präsentation in Wort – Diskussionen, Lehre!, Vorträge – und Schrift – Aufsätze und Bücher.
Nicht zu vergessen sind auch
Organisation und Kommunikation. Lehrveranstaltungen, Prüfungen, Vorträge und
Texte müssen allesamt irgendwie (und vor allem irgendwann) vorbereitet sowie
Fragen einerseits gestellt und anderseits beantwortet werden. Es wird niemals
langweilig und ich denke oft an das alte Hornbach-Motto („Es gibt immer was zu
tun“).
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Meine Forschung zeigt, wie eine Vielzahl von unsicheren Informationen nach ihrer Herkunft, Aussageintention, Datierung und vielem mehr klassifiziert, analysiert und miteinander in Bezug gesetzt werden können. Möglichkeiten zur Orientierung in und Arbeit mit einer Flut von sich teils widersprechenden Aussagen – am Beispiel von Königen, die an Durchfall sterben oder scheinbar wirren Texten voller Tiere, die vor langer Zeit etwas über die Zukunft aussagen sollten.
Natürlich sind da die Einzelergebnisse – ist Barbarossa in einem Fluss ertrunken? Wurde König Rudolph von einer Prophetie beeinflusst? Das sind wichtige Fragen und wer sich dafür interessiert, kann gerne meine Antworten hören (ich verspreche nicht, dass die Antworten gefallen). Ein Großteil meiner Arbeit besteht auch darin, Lehrer auszubilden, wer sich also dafür interessiert, wer später mal Kinder unterrichtet…
Letztlich können und müssen
HistorikerInnen der breiten Öffentlichkeit aber vor allem die Quellenkritik
anbieten, dafür sollte sich gerade heute eigentlich jeder interessieren und ich
habe meiner Meinung nach großartige Beispiele dafür.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich war mal Kampfsporttrainer und möchte das eigentlich gerne
wieder aufnehmen.
Für die Twitter Community sind
vielleicht meine Twitter-Bots interessant: Dailymedievaldeath
(@dailymedievald1) geht auf die für meine Dissertation angelegte Bildersammlung
zurück. Jeden Tag ein #odt-Tweet mit einer dazugehörigen Sterbe-Miniatur, dem
Bild einer Grablege oder ähnlichem. Dailymedievalcat (@dailymedievalc1) habe
ich im letzten Semester mit Studierenden in einer Lehrveranstaltung gebaut –
jeden Tag ein Bild einer Katze aus einer mittelalterlichen Handschrift.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich lese gern Comics. Das ist zum einen die einzige
Literaturgattung, in der ein und dieselbe Geschichte in so vielen
unterschiedlichen, aber doch wieder miteinander verbundenen Versionen erzählt
werden kann, wie in mittelalterlicher Geschichtsschreibung (eigentlich ist der
Vergleich andersrum, ich kenne Comics länger). Zum anderen versöhnt es mich mit
der Welt, wenn ich nach den Nachrichten zehn Minuten bunte Bilder anschaue, mit
Geschichten, wie Männer und Frauen in farbenfrohen Kostümen alles wieder
geradebiegen. In meiner Wahlheimatstadt ist das allerdings kein ungewöhnliches
Hobby…
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Einen idealen Tag, ob frei oder nicht, verbringe ich mit
meiner Partnerin.
Bitte begrüßt Manuel ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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