Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Janina Wildfeuer (@neous)! Janina ist Assistenzprofessorin im Department Communication and Information Studies an der Universität Groningen, NL. Nach dem Studium der Allgemeinen Sprachwissenschaft, Germanistik und Romanistik in Münster promovierte sie 2012 an der Universität Bremen mit einer Arbeit zur Analyse filmisch-textueller Strukturen und arbeitete anschließend dort als Lektorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin. Seit 2019 ist sie Assistenzprofessorin an der Universität Groningen und forscht dort überwiegend im Bereich der multimodalen Diskursanalyse von medialen Artefakten auf Grundlage diskurssemantischer und textlinguistischer Instrumentarien. Janina war bereits 2018 schon einmal Kuratorin bei Real Scientists DE: Schaut euch auch den Blogpost zu ihrer letzten Kuration an!
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Die
Faszination an Sprachen, ihrer Grammatik und ihren Strukturen, die ich während
meiner Schulzeit erlebt habe, hat mich vor sage und schreibe 20 Jahren in ein
klassisches Philologie-Studium mit sprachwissenschaftlichem Schwerpunkt an der
Universität Münster geführt. Das Studium habe ich mit einem Magisterabschluss
und einer Arbeit zur Anwendung textlinguistischer Strukturen auf Medien beendet
und mich danach eigentlich ganz naiv und unwissend der akademischen Strukturen
auf verschiedenste Ausschreibungen für Stipendien beworben. Ich bekam eine
Zusage von einem neu eingerichteten Doktorand:innenkolleg an der Universität
Bremen, das sich mit dem Film beschäftigte und mir drei Jahre die Möglichkeit
gab, dies ebenfalls zu tun. Ich traf zum ersten Mal meinen Doktorvater und
Mentor, der mir eine ganz andere akademische Welt als die mir bis dahin
bekannte zeigte. Obwohl ich mich mit unterschiedlichsten Sprachen beschäftigt
hatte, hatte ich weder Hausarbeiten auf Englisch geschrieben noch Referate
gehalten (und stattdessen eher französische Übersetzungen vorgenommen). Ich
habe dann zum ersten Mal an Konferenzen im Ausland teilgenommen und die
internationale Welt der Sprach- und Medienwissenschaft kennen gelernt - in
einem Bereich, der immer noch mit den Grundannahmen meines Fachs arbeitet, sie
aber auf viele weitere Kommunikationsformen überträgt und sich damit
interdisziplinär zwischen unterschiedlichsten Fächern und Forschungsrichtungen
bewegt. Nach einer ganzen Weile in Bremen – fast 12 Jahre, erst als
Doktorandin, dann als Lektorin und wissenschaftliche Mitarbeiterin – bin ich
inzwischen in den sehr interdisziplinär geprägten Kommunikations- und
Informationswissenschaften an der Universität Groningen in den Niederlanden
gelandet und fühle mich dort sehr wohl.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Auch wenn ich in
Groningen nicht in der Linguistik angestellt bin, mache ich immer noch
Sprachwissenschaft, zu mindestens gleichen Teilen aber eben auch Kommunikations-
und Medienwissenschaft und manchmal eben auch Informationswissenschaft. Diese
Mischung aus unterschiedlichen Disziplinen und Forschungsfeldern ist das, was
meine Forschung aus- und spannend macht und mir enorme Flexibilität und Abwechslung
bietet. Während ich schon in meiner langen Zeit in Bremen immer wieder an neuen
Projekten und mit Kolleg:innen unterschiedlichster anderer Disziplinen arbeiten
durfte, steht in Groningen auch immer stark die Anwendung in der Praxis im
Vordergrund. Die Studierenden dort gehen oft direkt in die Wirtschaft, ins
Marketing oder in andere Anwendungsbereiche von Kommunikation und wollen
dementsprechend ausgebildet werden. Die Theorien und Methoden meiner Forschung
dorthin zu tragen und direkt für sie und mit ihnen anzuwenden, ist eine
wirklich spannende Angelegenheit.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Die Grundfragen meiner Forschung haben sich nicht geändert: Ich untersuche immer noch und immer wieder, inwiefern Medien bzw. Medienprodukte wie Filme, Comics, soziale Medien oder auch Computerspiele Bedeutungen konstruieren, uns also Geschichten erzählen, Sachverhalte darstellen oder Argumente vorführen. Mein Hauptinteresse liegt in der Vielzahl an Ausdrucksformen, die für diese Bedeutungskonstruktion verwendet werden und die ganz oft nicht sprachlich sind. Es geht also darum zu analysieren, wie Bedeutung auch non-verbal ausgedrückt werden kann und welche Ausdrucksformen dafür kombiniert werden. In unserem täglichen Medieneinsatz jonglieren wir ja alle ganz cool mit Bildern, Sounds, Animationen und so weiter. Während ich eine sehr lange Zeit sehr intensiv vor allem zu den narrativen Strukturen von Medien gearbeitet habe, also nach den Geschichten gefragt habe, die Filme, Comics und auch Games erzählen, habe ich mich in den letzten Jahren vermehrt auf nicht-narrative Texte konzentriert, die in unterschiedlichsten Bereichen unseres Lebens eingesetzt werden, zum Beispiel in der Gesundheitskommunikation oder auch in Bildungskontexten. Ein Schwerpunkt meiner Arbeit sind zum Beispiel Erste-Hilfe-Anleitungen in den sozialen Medien und mein Forschungsantrag für ein 5-Jahres-Projekt zu solchen Anleitungen auf Instagram und TikTok ist gerade in der Begutachtung. Außerdem arbeite ich an einem interdisziplinären Projekt zur Entwicklung eines Computerspiels, das Kenntnis über Mikroplastiken vermitteln soll. Mit KollegInnen aus der Psychologie und Radiologie haben wir darüber hinaus eine Fragebogenstudie vorgenommen, in der auch Videos zur Informationsvermittlung eingesetzt wurden - und ich analysiere, inwiefern diese Videos möglicherweise eine bessere Form der Vermittlung sind oder sein können. Es geht also immer um mediale Kommunikation, die oft vielfach komplex ist und unterschiedlichste Ausdrucksformen miteinander vereint - man spricht dann vom Einsatz unterschiedlichster Zeichenmodalitäten in einem multimodalen Artefakt.
Nicht nur in der
Forschung, sondern auch in der Lehre versuche ich, das Wissen über diese
unterschiedlichen Ausdrucksformen zu vermitteln und ein Bewusstsein dafür zu
schaffen, dass auch mit non-verbalen Mitteln sehr viel gesagt werden kann. In
unserem Bachelor- und Masterstudienprogramm bin ich in alle Kurse involviert,
die sich um multimodale Kommunikation drehen - seien es theoretische
Grundlagenkurse oder praktische Analysekurse, in denen Korpora von Bildern oder
Videos analysiert werden. Neben der Lehre bin ich in Groningen auch für die
Koordination des Masterstudiengangs zuständig und gerade damit beschäftigt,
einen neuen Masterstudiengang Communication Studies (als Teil des Programms
Communication and Information Studies) aufzubauen.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Mit Multimodalitätsforschung verbinden vielleicht nicht alle gleich besonders anwendungsbezogene Forschung, dabei ist sie das auf sehr vielen Ebenen, gerade wenn es um Kommunikation in Bereichen wie Gesundheit, Politik oder auch in der Bildung geht. Erstaunlicherweise wird erst seit kurzer Zeit intensiver erforscht, ob zum Beispiel Videos oder Comics bessere Informationsvermittlung betreiben als rein sprachliche Texte und ob es sinnvoll ist, bestimmte Ausdrucksformen explizit einzusetzen, um Inhalte zu vermitteln oder Argumente zu präsentieren.
Andererseits finde ich
es auch unheimlich wichtig, überhaupt einen Blick für die Komplexität von
Kommunikation zu entwickeln. Wir hantieren täglich mit höchst vielfältigen
Nachrichten und Informationseinheiten, senden uns visuelle Botschaften über
unterschiedlichste Kanäle, schauen Serien oder TikTok-Videos und tauchen in
virtuelle Realitäten ein, aber ein Bewusstsein dafür, wie wichtig jede noch so
kleine Ausdrucksform innerhalb dieser komplexen Kontexte ist, muss oft erst
noch geschaffen werden.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich arbeite auch immer noch als Herausgeberin des Journals Visual
Communication, für das ich inzwischen Chief Editor bin (zusammen mit einer
Kollegin aus Australien). Hinzugekommen ist eine Tätigkeit als Associate Editor
in der Frontiers Section on Multimodality of Communication. Das ist ganz schön
viel ehrenamtliche Arbeit nebenher, aber ich sehe sie auch als sehr wertvoll
an, weil ich immer die neuesten Publikationsprojekte kennen lerne und
mitentscheiden kann, welche davon tatsächlich publiziert werden.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich habe inzwischen drei Kinder und arbeite in Vollzeit, leider bleibt da im
Moment nicht viel Zeit für Hobbies. Nachdem wir in ein eigenes Haus mit Garten
gezogen sind, mag ich es tatsächlich ab und zu (vor allem im Frühling und
Sommer), Blumen zu pflanzen und dort für Ordnung zu sorgen.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Fast jede:r hat hier bisher was von Ausschlafen geschrieben - für mich ist das
nichts. Ich mag die frühen Morgenstunden besonders gern, meine Kinder
allerdings auch. Ideal läuft ein freier Tag, wenn wir alle viel Zeit haben und
jede:r eigenen Dingen nachgeht und in den Tag hinein trödelt. Irgendwann dann
darf es etwas mehr sein, ein Ausflug gemeinsam in einen Tierpark oder ins
Museum, besser noch irgendwo ans Wasser - im Sommer gerne auch mit dem Fahrrad
am Deich entlang. Ich träume noch davon, dass jede:r dann ein Buch oder anderes
Medium bei sich hat und darin abtaucht, so dass ich selbst zum Lesen eigener
Bücher komme, aber bis meine Kinder alleine lesen, werden wir wohl noch viele
Tage gemeinsam über Büchern sitzen.
Bitte begrüßt Janina ganz herzlich bei Real Scientists DE!
No comments:
Post a Comment