Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Eva Pfannerstill (@eva_yp)! Eva ist Postdoc an der University of California in Berkeley. Sie verwendet Tools von Massenspektrometrie bis Machine Learning, um die Zusammensetzung und Reaktionen der Luft, die wir atmen, zu verstehen. Die Chemie der atmosphärischen Gasphase zu verstehen kann dabei helfen, Luftverschmutzung zu bekämpfen und die Auswirkungen des Klimawandels abzuschwächen.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Ich habe schon im Grundschulalter ein Bild gemalt, in dem meine Schwester und ich "Forscherinnen im Dschungel" sind und Tiere beobachten. ;) Eine Zeitlang wollte ich aber auch Pferdezüchterin, Musikerin oder Schriftstellerin werden. Als Teenager begann ich mich dann dank eines tollen Chemielehrers für chemische Reaktionen zu interessieren, und gleichzeitig wuchs mein Bewusstsein für Umweltprobleme und insbesondere den Klimawandel. Ab ungefähr dem Alter von 14 Jahren konnte ich mir vorstellen, Wissenschaftlerin zu werden (bei der Deutschlektüre von "Faust I" in der 8. Klasse konnte ich mit dem Satz "ich will wissen, was die Welt im Innersten zusammenhält" gut identifizieren!). Es war aber trotzdem ein gradueller Prozess. Während meines Auslandsjahres in Kambodscha nach dem Abi traf ich zwei Franzosen, die chemische Analysen von Mekong-Wasserproben machten, und mir wurde zum ersten Mal klar, dass es eine Fachrichtung namens "Umweltchemie" gibt. Seit Beginn meines Chemiestudiums habe ich mich immer weiter in eine Richtung bewegt, in der ich mein Interesse für Chemie mit dem für die Atmosphäre verknüpfen kann. Sogar das mit der Forschung im Regenwald wurde wahr!
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Inhaltlich ist Atmosphärenchemie genau mein Ding, weil es sowohl eine hohe soziale Relevanz als auch Umweltrelevanz (Luftverschmutzung, Wechselwirkungen mit dem Klima) hat, und ich meine Begeisterung für chemische Analytik organischer Verbindungen dabei anwenden kann. Ich mag Feldforschung und das Reisen zu spannenden Orten, das damit verknüpft ist. Außerdem finde ich es toll, dass die Analysemethoden, mit denen ich arbeite, "on-line" funktionieren, d.h. das Gerät saugt die Luft ein und ich sehe instantan im Massenspektrum, welche Moleküle in der Luft herumschwirren, ohne dass ich erst noch hunderte Proben pipettieren muss oder Ähnliches. (Ich habe keine ruhige Hand und fand Pipettieren immer nervig.) Außerdem finde ich, dass es menschlich eine nette und kooperative wissenschaftliche Community ist. Was mir Postdocs aus anderen naturwissenschaftlichen Bereichen vom Wettkampf bis aufs Messer zwischen Arbeitsgruppen, die gleichzeitig an ähnlichen Dingen arbeiten, erzählen, habe ich so aus der Atmosphärenchemie noch nicht gehört. Es ist dabei sicherlich ein Vorteil, dass man die gleiche Luft nie zweimal messen kann. Und wenn man gemeinsam mit Kolleg*innen auf Feldmesskampagnen Wochen irgendwo im Nirgendwo verbringt, ergeben sich auch viele Freundschaften.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich mache vor allem Feldmessungen, d.h. nehme High-Tech-Massenspektrometer mit an verschiedenste Orte, um dort hunderte organische Spurengase in der Atmosphäre zu quantifizieren. Dazu gehörte während meiner Doktorarbeit der Amazonasregenwald und ein Forschungsschiff auf der Reise um die Arabische Halbinsel. Momentan bin ich auf Südkalifornien fokussiert, wo ich von einem Forschungsflugzeug aus Emissionen gemessen habe. Die Feldmesskampagnen sind oft nur wenige Wochen oder Monate lang - der Hauptteil der Arbeit kommt dann danach, wenn es darum geht die riesigen Datensätze auszuwerten und daraus sinnvolle Erkenntnisse zu gewinnen. Auch die Vorbereitung von Messkampagnen kann viele Monate dauern, denn es ist wichtig, die Messgeräte vorher im Labor hundertprozentig zu charakterisieren, zu kalibrieren und in Schuss zu bringen. Denn bei der Kampagne ist die Zeit begrenzt (und teuer), und das Messgerät sollte möglichst unterbrechungsfrei laufen. Somit setzt sich meine Arbeit aus Feldkampagnen, Laborarbeit und Datenauswertung zusammen. Ich verbringe, seit ich Postdoc bin und eine sehr komplexe Datenanalyse mache, mehr Zeit mit Programmieren als "hands-on" am Messgerät.
Konkret zu meinen Projekten: Ich habe im Amazonasregenwald die saubere Atmosphäre untersucht, und da zum Beispiel wie sich Trockenheitsperioden auf die Atmosphärenchemie auswirken. Der Nahe Osten dagegen war eine Region mit extremer Luftverschmutzung, und ein nicht unrelevanter Teil davon war auf die Öl- und Gasproduktion zurückzuführen. Zurzeit erforsche ich Spurengasemissionen aus der Landwirtschaft und der Megastadt Los Angeles und vergleiche sie mit Emissionsinventaren von Aufsichtsbehörden, da diese gerne wissen wollen, wie gut ihre Annahmen sind.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
99% der Weltbevölkerung atmet Konzentrationen an Luftverschmutzung, die laut der WHO gesundheitsschädlich sind. Die organischen Spurengase, mit denen ich mich beschäftige, sind Treiber der chemischen Reaktionen, die die Luftschadstoffe Ozon und Feinstaub erzeugen. Manche Spurengase (z.B. Benzol) sind auch an sich toxisch. In der EU gibt es ca. 240 000 vorzeitige Todesfälle, die auf Luftverschmutzung zurückzuführen sind. Schon allein deswegen sollte jede*r sich dafür interessieren, was er*sie so jeden Tag einatmet! Außerdem gibt es auch Rückkopplungen der organischen Spurengase und ihrer Reaktionsprodukte mit dem Klimawandel. Ich habe zum Beispiel in Los Angeles die Temperaturabhängigkeit von urbanen Emissionen untersucht. Diese trägt dazu bei, dass die Luftqualität an heißen Tagen (die mit dem Klimawandel zunehmen) besonders schlecht ist.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen
Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich engagiere mich in der Wissenschaftskommunikation, indem ich zum Beispiel bei "Skype a Scientist" oder "Meet a Scientist" mit Schul- oder Kindergartenklassen über meine Forschung rede. Außerdem habe ich auch über Feldmessungen gebloggt, eine Sammlung findet sich hier: https://www.eva-pfannerstill.eu/research-blog
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich spiele seit meinem neunten Lebensjahr Bratsche (momentan im Kammerorchester der UC Berkeley und in einem Streichtrio). Meine Bratsche habe ich auch schon auf Feldmesskampagnen mitgenommen. So kam ich in den Genuss, bei Sonnenaufgang auf einem 320 m hohen Messturm über dem Regenwald zu spielen oder bei Sonnenuntergang bei einer Grillparty auf dem Achterdeck eines Forschungsschiffes mit anderen Wissenschaftler*innen zu musizieren.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur
Menschen)?
Ein schöner Ausflug mit Wanderung
oder Stadtbesichtigung zusammen mit Freund*innen und/oder meinem Partner, in
einem Café lecker Kuchen essen gehen, und am Abend ein gutes Buch lesen.
Bitte begrüßt Eva ganz herzlich bei Real Scientists DE!
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