Sunday, September 5, 2021

Ein Sinn für Schönheit - Aenne Brielmann ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns sehr, euch unsere neue Kuratorin Aenne Brielmann (@aabrielma) vorstellen zu dürfen!Aenne hat ihren Bachelor und Master in Psychologie an der Uni Konstanz gemacht und ist danach für die Promotion nach New York gezogen. Dort hat sie fünf Jahre zum Thema Schönheit geforscht und sich heillos in Brooklyn und das Laufen verliebt. Jetzt ist sie zurück in ihrer schwäbischen Heimat und arbeitet als Postdoc am Max-Planck Institut für biologische Kybernetik in Tübingen.


Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?

Ich bin gleich zu Beginn meines Studiums in die Wissenschaft gerutscht. Ich wollte einen kleinen Nebenjob und dachte: Wieso nicht HiWi, darin bist du bestimmt gut? Und so bin ich seit dem 2. Semester eigentlich immer irgendwie in der Forschung tätig gewesen. Als bei uns im Studium dann das Praxissemester dran war, war mir klar: Forschungspraktikum muss sein. Ich hatte durchweg wundervolle Mentorinnen (ja, allesamt Frauen!) und von dem her habe ich mein gesamtes Studium lang gewusst, dass ich in der Forschung bleiben will.

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich bin quasi über das Ausschlussprinzip bei Psychologie gelandet. In einem Jahr Auszeit vor dem Abi habe ich mir so ziemlich alles angeschaut, was mich berufstechnisch interessiert hat: Kunstakademie, Unterrichten, Pflegepraktikum (fürs Medizinstudium), aber das hat alles nicht so wirklich gepasst, war aber auch nicht wirklich falsch. In der Schnittmenge von Geistes- und Naturwissenschaften lag da aber ein Feld, von dem ich dachte, dass es alle Vorteile (mit wenigen Nachteilen) verbindet: Psychologie. Also habe ich mir die 1,300 Seiten von “Meyer’s Psychologie” innerhalb einer Woche verschlungen und als ich es dann immer noch spannend fand, war klar: Das studier’ ich. Zum Thema Aesthetik bin ich dann halb per Zufall gekommen. Ich habe mich eigentlich mit Interessenschwerpunkt Ambiguität und deren Aufloesung (mit Schwerpunkt ambige Bilder, so wie Necker-Würfel oder der Enten-Hase) an der NYU beworben, aber in meinem Motivation Letter mit einer Beschreibung, wie ich male begonnen. Das hat das Interesse meines Doktorvaters (Denis Pelli) geweckt. Als er fragte, ob ich nicht lieber zu Schoenheit forschen will, musste ich einfach ja sagen!

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich arbeite gerade am Max-Planck Institut für biologische Kybernetik an einem Modell des Belohnungswertes ästhetischer Erfahrungen (aesthetic value). Das heisst, ich erforsche, warum wir bestimmte sensorische Erfahrungen – was wir sehen, hören, schmecken, riechen, fühlen – mehr mögen und aufsuchen als andere. Wir untersuchen zum Beispiel, wie lange Menschen sich ein Bild anschauen, bevor sie weiter klicken – wie beim Scrollen durch Instagram. Bei Ästhetik denken ja viele gleich und fast ausschließlich an Kunst, und natürlich interessiere ich mich auch  dafür, warum wir so ‘sinnlosen’ Dingen wie Gemälden, Musicals, und Filmen so viel Zeit und Geld ‘opfern’. Aber meine Arbeit möchte eine Brücke schlagen zwischen der klassischen empirischen Ästhetik und der klassischen Forschung zu Lernen und Entscheidungsverhalten. Das Modell, an dem ich gerade arbeite, wendet Algorithmen aus diesen etablierten Feldern (Lernen, Entscheidungsverhalten), die in den letzten Jahren dank KI so viel in der Presse waren, auf einen Bereich menschlichen Verhaltens an, das wir bislang als ‘irrational’ oder ‘nebensächlich’ ignoriert haben.

Motivation: warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Meine Arbeit hat Implikationen für fast jeden Bereich des täglichen Lebens: Egal ob es darum geht was wir anziehen, was wir Essen, wo wir leben, und mit wem, was uns auf der sensorischen Ebene gefällt ist (fast) immer mit entscheidend dafür, wie wir uns entscheiden. Das haben bis jetzt fast nur die Werbeagenturen begriffen und ausgenutzt. Ich hoffe, das meine Arbeit deutlich macht, dass es nicht nur ‘nett’ ist, wenn Dinge gut aussehen oder klingen, sondern dass wir damit das Verhalten der Menschen beeinflussen und dass wir das zum Guten oder zum Schlechten tun können. Nur als ein Beispiel: Ich unterhalte mich gerade viel mit Architekten. Wie wir bauen und wohnen kann einen ganz entscheidenden Beitrag zur mentalen und sogar körperlichen Gesundheit leisten. Menschen, die sich im Krankenhaus wohl fühlen heilen schneller, brauchen weniger Schmerzmittel. Wer im richtigen Umfeld arbeitet tut das effizienter, stressfreier und bleibt damit auch länger gesund.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich finde es immer spannend, mit Leuten außerhalb der ‘reinen’ Psychologie zusammen zu arbeiten. Im letzten Jahr habe ich immer mehr Kontakt zu Architekten gehabt und bin in dem Zuge sowohl immer mal wieder bei (online) Seminaren dabei und habe auch einen kleinen Artikel mit einer Gruppe Kollegen aus Architektur, Mathematik, und Physik in der Arbeit. Ich arbeite auch mit Philosophen zusammen und habe dieses Jahr zum Beispiel endlich meinen Eintrag zur empirischen Ästhetik für die Internet Encyclopedia of Philosophy fertig geschrieben.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ob es für alle anderen so interessant ist, weiß ich nicht, aber mein großes Hobby ist der Langstreckenlauf, auch gerne Distanzen, die über den Marathon hinaus gehen. Am liebsten laufe ich mittlerweile im Wald – dafür ist Tübingen ein idealer Standort, auch wenn sich auf der schwäbischen Alb ganz schön Höhenmeter ansammeln! Das zusammen mit ein bisschen Rudern, Schwimmen, Krafttraining, und was man halt so machen sollte, damit einem die Gelenke das Laufen verzeihen, gleiche ich dann mit ruhigeren Hobbies aus: Lesen und Zeichnen vor allen Dingen. Im Winter stricke ich auch mal ganz gern.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forscher sind ja auch nur Menschen)?
Mein idealer freier Tag startet kühl und leicht bewölkt mit einem langen, langsamen Lauf quer durch den schwäbischen Wald. Danach wartet ein ausgiebiges Mittagessen auf mich, und ein gutes Buch oder eine meiner Lieblingsserien auf der Couch – wenn’s sich ergibt, ein Nickerchen. Danach entweder ein Date oder Treffen mit Freunden zum Abendessen und einem Besuch im Theater oder Konzert. Anschließend gehen wir noch was trinken und wenn ich ganz viel Glück (und besagtes Nickerchen) habe, tanzen.  [Weil es ein idealer freier Tag ist, ist es auch einer, an dem die Gefahr einer Pandemie nicht (mehr) besteht] 

Bitte begrüßt Aenne ganz herzlich bei Real Scientists DE!

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