Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Alica Mohnert (@AMohnert)! Alica ist Diplom-Psychologin und Volljuristin. Studiert hat sie an der Universtität zu Köln und sie hat außerdem einen Master of Law an der Chinesischen Hochschule für Politologie und Recht (CUPL) erworben. Sie hat das Standardlehrbuch „Psychologie für Juristen“ mitverfasst und unterrichtet mittlerweile angehende und fertigen Juristen in allen Gebieten aus der modernen Psychologie, die Juristen dringend mal gehört haben sollten, um in ihrem Beruf brillieren zu können.
Wie bist du in der
Wissenschaft gelandet?
Man könnte wohl sagen, dass ich die Wissenschaft einfach nie verlassen habe.
Man denkt immer, dass man sich für diesen Beruf aktiv entscheidet, aber
tatsächlich stellt man eines Tages fest, dass man wohl Wissenschaftlerin
geworden ist!
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält
dich dort?
Ich habe zuerst Psychologie und dann nahtlos Jura studiert, weil ich in
meinem damaligen Vertiefungsfach Rechtspsychologie sofort bemerkt habe, dass
die Fachbegriffe sich schlecht decken und deshalb der interdisziplinäre Dialog
scheitert. Die Folge daraus ist, dass Juristen psychologische Erkenntnisse
nicht rezipieren und sich über ihr fehlendes Wissen in der Regel nicht einmal
bewusst sind, während die Psychologen rätseln, worauf die Juristen eigentlich
mit ihren Fragen (bspw. bei der Beauftragung eines Gutachtens) hinauswollen und
schwer einschätzen können, an welchen Stellen im Rechtssystem Juristen
psychologische Kompetenz und Wissensvermittlung benötigen. Das ist echte
Pionierarbeit, denn außer meinem geschätzten Kollegen und Co-Autor Prof. Dr.
Daniel Effer-Uhe (@EfferUhe) und mir unterrichtet derzeit fast niemand die
Inhalte dieser Schnittstelle systematisch.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ein Großteil meiner Tätigkeit besteht darin, die Inhalte meiner Veranstaltungen
zu recherchieren, zu aktualisieren und pädagogisch aufzubereiten, d. h. meist,
gute Folien zu erstellen. Das sind in der Regel dann eher ruhige Tage am
Schreibtisch mit vielen offenen Tabs. Wenn es dann ans eigentliche Unterrichten
geht: Je nachdem, ob ich für angehende oder fertige Juristen im Einsatz bin,
fahre ich entweder zum Hörsaal einer Hochschule oder z. B. an den Tagungsort
eines Bundeslandes, was auch schon mal direkt im Landesjustizministerium sein
kann, und finde erst mal heraus, wie der Beamer vor Ort funktioniert!
Alternativ läuft das Ganze online ab. Meine Veranstaltungen reichen von
Kurzvorträgen bis zu mehrtätigen Seminaren, in denen sowohl ich als auch die
Teilnehmer viel zu reden und zu diskutieren haben. Der Tag war ein Erfolg, wenn
zwischendurch oder hinterher ein Teilnehmer sagt, dass er etwas völlig Neues
gelernt hat und jetzt erst mal darüber nachdenken muss.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Niemand geht gern zu Gericht, aber wenn es nötig wird, erwarten dort alle
sachgerechte und faire Lösungen. Korrekte juristische Methodik bedeutet, sich
kritisch mit der vermeintlichen "guten Menschenkenntnis"
auseinanderzusetzen, die sich jeder selbst attestiert, und den empirischen
Tatsachen ins Auge zu sehen: Ohne solide aussagepsychologische Kenntnisse
erkennen auch Richterinnen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung nicht, ob ein
Zeuge lügt oder wie man ein Kind anhört, wenn die Eltern um das Sorgerecht
streiten. Ohne effektive Gegenstrategien verrennen sich auch hochspezialisierte
Anwälte in klassischen Denkfehlern und berücksichtigen dann versehentlich nicht
alle relevante Informationen, bevor sie eine Einschätzung dazu abgeben, ob eine
Klage Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Juristengehirne sind Menschengehirne,
und deshalb ist es wichtig, sich klarzumachen, wo die psychologischen
Fallstricke verlaufen und was wir dank jahrzehnterlanger Forschung über Denken
und Verhalten wissen.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen
Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich äußere mich regelmäßig zur Politik der Juristenausbildung. Meiner Ansicht
nach ist die Zeit überreif dafür, lernpsychologische Erkenntnisse und moderne
Rechtsdidaktik zum Einsatz zu bringen und mit der ewigen Gängelei der
Examenskandidaten aufzuhören. Wer sich zu den Staatsexamina anmeldet, ist
längst erwachsen und tritt dort freiwillig an, da ist es eine Frage des
Respekts und der Weitsicht, die Leute nicht wie unmündige und aufmüpfige Kinder
zu behandeln. Beispielsweise die Diskussion um die Abschaffung der Ruhetage
zwischen den Klausuren ist unterirdisch. Niemand kann am Ende seiner Kräfte
Hochleistung bringen - und so etwas kann auch niemand ernsthaft fordern. Die
Grundbedürfnisse Schlaf und Kräftesammeln sollten nicht ernsthaft kontrovers
sein. Wir können und müssen mit einem humaneren Menschenbild an die
Juristenausbildung herangehen. In diesem Kontext kommt es auch immer häufiger
vor, dass ich von juristischen Fakultäten und glücklicherweise inzwischen sogar
Großkanzleien eingeladen werde, um über Stress durch Lern- und Arbeitsbelastung
und was man dagegen tun kann zu sprechen.
Mein anderes rechtspolitisches Thema ist die Digitalisierung des Ausbildungs-
und Justizsystems. Wir haben längst die Instrumente des 21. Jahrhunderts an der
Hand, aber sie kommen noch nicht so zum Einsatz, wie es dem Lern- und
Arbeitsfortschritt am besten dienen würde. Ganz klar: Eine automatische
Wortprotokollierung von Gerichtsverhandlungen ist überfällig und technisch
machbar, um nur ein Beispiel zu nennen. Zumindest im Strafrecht zeichnen sich
Reformen in diese Richtung ab, aber Widerstand aus der Praxis lässt nicht nach.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich lerne sehr gerne Fremdsprachen und kann mittlerweile eine ganze Reihe.
Außerdem gärtnere ich gerne und schreibe Kurzgeschichten.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur
Menschen)?
Ausschlafen, Blumen gießen, auf zum Krafttraining - und danach in einen Park
oder auf die Terrasse eines lauschigen Cafés, um meinen kreativen Ideen
nachzugehen oder mit lieben Freunden stundenlang zu schnattern.
Bitte begrüßt Alica ganz herzlich bei Real Scientists DE!
No comments:
Post a Comment