Sunday, May 28, 2023

Wie man es Jurist:innen und Psycholog:innen erleichtert dieselbe Sprache zu sprechen! Alica Mohnert ist jetzt bei Real Scientists DE!

Diese Woche freuen wir uns auf unsere Kuratorin Alica Mohnert (@AMohnert)! Alica ist Diplom-Psychologin und Volljuristin. Studiert hat sie an der Universtität zu Köln und sie hat außerdem einen Master of Law an der Chinesischen Hochschule für Politologie und Recht (CUPL) erworben. Sie hat das Standardlehrbuch „Psychologie für Juristen“ mitverfasst und unterrichtet mittlerweile angehende und fertigen Juristen in allen Gebieten aus der modernen Psychologie, die Juristen dringend mal gehört haben sollten, um in ihrem Beruf brillieren zu können.

 

Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Man könnte wohl sagen, dass ich die Wissenschaft einfach nie verlassen habe. Man denkt immer, dass man sich für diesen Beruf aktiv entscheidet, aber tatsächlich stellt man eines Tages fest, dass man wohl Wissenschaftlerin geworden ist!

Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Ich habe zuerst Psychologie und dann nahtlos Jura studiert, weil ich in meinem damaligen Vertiefungsfach Rechtspsychologie sofort bemerkt habe, dass die Fachbegriffe sich schlecht decken und deshalb der interdisziplinäre Dialog scheitert. Die Folge daraus ist, dass Juristen psychologische Erkenntnisse nicht rezipieren und sich über ihr fehlendes Wissen in der Regel nicht einmal bewusst sind, während die Psychologen rätseln, worauf die Juristen eigentlich mit ihren Fragen (bspw. bei der Beauftragung eines Gutachtens) hinauswollen und schwer einschätzen können, an welchen Stellen im Rechtssystem Juristen psychologische Kompetenz und Wissensvermittlung benötigen. Das ist echte Pionierarbeit, denn außer meinem geschätzten Kollegen und Co-Autor Prof. Dr. Daniel Effer-Uhe (@EfferUhe) und mir unterrichtet derzeit fast niemand die Inhalte dieser Schnittstelle systematisch.

Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ein Großteil meiner Tätigkeit besteht darin, die Inhalte meiner Veranstaltungen zu recherchieren, zu aktualisieren und pädagogisch aufzubereiten, d. h. meist, gute Folien zu erstellen. Das sind in der Regel dann eher ruhige Tage am Schreibtisch mit vielen offenen Tabs. Wenn es dann ans eigentliche Unterrichten geht: Je nachdem, ob ich für angehende oder fertige Juristen im Einsatz bin, fahre ich entweder zum Hörsaal einer Hochschule oder z. B. an den Tagungsort eines Bundeslandes, was auch schon mal direkt im Landesjustizministerium sein kann, und finde erst mal heraus, wie der Beamer vor Ort funktioniert! Alternativ läuft das Ganze online ab. Meine Veranstaltungen reichen von Kurzvorträgen bis zu mehrtätigen Seminaren, in denen sowohl ich als auch die Teilnehmer viel zu reden und zu diskutieren haben. Der Tag war ein Erfolg, wenn zwischendurch oder hinterher ein Teilnehmer sagt, dass er etwas völlig Neues gelernt hat und jetzt erst mal darüber nachdenken muss.

Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
Niemand geht gern zu Gericht, aber wenn es nötig wird, erwarten dort alle sachgerechte und faire Lösungen. Korrekte juristische Methodik bedeutet, sich kritisch mit der vermeintlichen "guten Menschenkenntnis" auseinanderzusetzen, die sich jeder selbst attestiert, und den empirischen Tatsachen ins Auge zu sehen: Ohne solide aussagepsychologische Kenntnisse erkennen auch Richterinnen mit jahrzehntelanger Berufserfahrung nicht, ob ein Zeuge lügt oder wie man ein Kind anhört, wenn die Eltern um das Sorgerecht streiten. Ohne effektive Gegenstrategien verrennen sich auch hochspezialisierte Anwälte in klassischen Denkfehlern und berücksichtigen dann versehentlich nicht alle relevante Informationen, bevor sie eine Einschätzung dazu abgeben, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat oder nicht. Juristengehirne sind Menschengehirne, und deshalb ist es wichtig, sich klarzumachen, wo die psychologischen Fallstricke verlaufen und was wir dank jahrzehnterlanger Forschung über Denken und Verhalten wissen.

Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich äußere mich regelmäßig zur Politik der Juristenausbildung. Meiner Ansicht nach ist die Zeit überreif dafür, lernpsychologische Erkenntnisse und moderne Rechtsdidaktik zum Einsatz zu bringen und mit der ewigen Gängelei der Examenskandidaten aufzuhören. Wer sich zu den Staatsexamina anmeldet, ist längst erwachsen und tritt dort freiwillig an, da ist es eine Frage des Respekts und der Weitsicht, die Leute nicht wie unmündige und aufmüpfige Kinder zu behandeln. Beispielsweise die Diskussion um die Abschaffung der Ruhetage zwischen den Klausuren ist unterirdisch. Niemand kann am Ende seiner Kräfte Hochleistung bringen - und so etwas kann auch niemand ernsthaft fordern. Die Grundbedürfnisse Schlaf und Kräftesammeln sollten nicht ernsthaft kontrovers sein. Wir können und müssen mit einem humaneren Menschenbild an die Juristenausbildung herangehen. In diesem Kontext kommt es auch immer häufiger vor, dass ich von juristischen Fakultäten und glücklicherweise inzwischen sogar Großkanzleien eingeladen werde, um über Stress durch Lern- und Arbeitsbelastung und was man dagegen tun kann zu sprechen.
Mein anderes rechtspolitisches Thema ist die Digitalisierung des Ausbildungs- und Justizsystems. Wir haben längst die Instrumente des 21. Jahrhunderts an der Hand, aber sie kommen noch nicht so zum Einsatz, wie es dem Lern- und Arbeitsfortschritt am besten dienen würde. Ganz klar: Eine automatische Wortprotokollierung von Gerichtsverhandlungen ist überfällig und technisch machbar, um nur ein Beispiel zu nennen. Zumindest im Strafrecht zeichnen sich Reformen in diese Richtung ab, aber Widerstand aus der Praxis lässt nicht nach.

Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich lerne sehr gerne Fremdsprachen und kann mittlerweile eine ganze Reihe. Außerdem gärtnere ich gerne und schreibe Kurzgeschichten.

Wie sieht dein idealer freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Ausschlafen, Blumen gießen, auf zum Krafttraining - und danach in einen Park oder auf die Terrasse eines lauschigen Cafés, um meinen kreativen Ideen nachzugehen oder mit lieben Freunden stundenlang zu schnattern.

Bitte begrüßt Alica ganz herzlich bei Real Scientists DE!

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