Diese Woche freuen wir uns auf Bartosz Bartkowski. Bartosz (@bartoszbartk.com) ist Juniorprofessor für Land Economics am Helmholtz-Zentrum für Umweltforschung - UFZ in Leipzig in gemeinsamer Berufung mit der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg. Er ist studierter und promovierter Volkswirt mit einem Touch Slavistik aus dem Bachelor-Studium. Er leitet gemeinsam mit Andrea Kaim die Nachwuchsgruppe AgriScape, die sich mit der inter- und transdisziplinären Erforschung von Zielkonflikten befasst, die bei der Transformation der Landwirtschaft zu mehr Nachhaltigkeit aufkommen. Sein eigener Fokus liegt auf der Analyse und Modellierung von Gestaltungsoptionen der Agrarumweltpolitik und ihren Auswirkungen auf die Entscheidungen von Landwirt:innen. Geboren und aufgewachsen ist er östlich der Oder.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Etwas zufällig, wenn ich ehrlich bin. Erst gegen Ende meines Master-Studiums kam mir die Idee, dass Wissenschaft eine interessante berufliche Option sein könnte – eine Möglichkeit, gegen Bezahlung meine inhärente Wissbegierde zu stillen. Es half aber auch, dass ich keine anderen guten Ideen hatte😉 Konkret war es so, dass ich im Laufe meines Studiums aufs UFZ aufmerksam geworden bin; dort wurde kurz vor Ende meines Masters eine Promotionsstelle ausgeschrieben, die thematisch nah am Thema meiner Master-Arbeit war – und vom Betreuer meiner Master-Arbeit, Prof. Bernd Hansjürgens, betreut werden sollte. Offenbar war meine Abschlussarbeit nicht so schlecht, denn ich habe diese Stelle dann bekommen. Zum Glück, denn bisher bin ich mit diesem Karrierepfad, trotz struktureller Mängel des deutschen Wissenschaftssystems, ziemlich glücklich.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich dort?
Dafür gibt es mehrere zusammenhängende Gründe. Ich finde Menschen wahnsinnig faszinierend (manchmal zum Verzweifeln). Damit war eine Sozial- oder Geisteswissenschaft gesetzt. Wirtschaftswissenschaften habe ich im Bachelor nur im Nebenfach studiert, und zwar eher widerwillig. Dann habe ich aber festgestellt, dass diese grundlegende Perspektive auf den gesellschaftlichen Umgang mit Knappheit mir sehr liegt und für vieles relevant ist – darunter für Probleme des Umweltschutzes, der mir seit der Oberstufe sehr am Herzen lag. So bin ich bei der Umweltökonomik gelandet, wobei ich bewusst sehr interdisziplinär arbeite, weil ich möchte, dass meine Forschung gesellschaftlich relevante Fragen beantwortet und Lösungen aufzeigt – das kann keine einzelne Disziplin allein leisten. Zur Landwirtschaft als Forschungsschwerpunkt kam ich als Städter tatsächlich erst nach meiner Dissertation und eher per Zufall (eine Projektstelle wurde zum „richtigen“ Zeitpunkt frei). Aber angesichts der enormen Relevanz der Landwirtschaft für Nachhaltigkeit, und angesichts ihrer total spannenden Komplexität kann ich mir inzwischen kaum vorstellen, den Forschungsschwerpunkt wieder zu wechseln.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Wenn ich an meiner „eigenen“ Forschung arbeite, besteht dies aktuell vor allem darin, dass ich an meinem agentenbasierten Modell (FAMUS) bastle, das umweltrelevante Entscheidungen (bez. Fruchtfolgengestaltung, Düngung, Bodenbearbeitung) von landwirtschaftlichen Betrieben in der Fallstudienregion meiner Nachwuchsgruppe AgriScape abbildet. Irgendwann in näherer Zukunft möchte ich dieses Modell dann nutzen, um verschiedene Klima- und Politikszenarien zu simulieren, um zu sehen, unter welchen Bedingungen die modellierten Entscheidungen zu Verbesserungen in der Bereitstellung von Ökosystemleistungen und Biodiversität führen. Da ich aber Juniorprofessor bin, fließt ein deutlich größerer Anteil meiner Arbeitszeit anderswohin – in Lehre (inkl. Vorbereitung), Gremienarbeit (am UFZ und an zwei verschiedenen Instituten der Universität Halle), Betreuung von Promovierenden (wahrscheinlich meine Lieblingsaufgabe), Arbeit an den verschiedensten Publikationen aus den verschiedensten Projekten, Beantragung und Verwaltung jener Projekte, Begutachtung für Fachzeitschriften, Wissenschaftskommunikation… Und hin und wieder komme ich auch mal zum Lesen von Fachliteratur😉
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit interessieren?
50 % der terrestrischen Fläche Deutschlands sind landwirtschaftlich genutzte Äcker, Wiesen und Weiden. Wenn man davon ausgeht, dass „Agrarlandschaften“ auch kleinere Waldflächen, Gewässer und z. T. sogar Siedlungen beinhalten, ist ihr Flächenanteil noch höher. Da wir ohne Nahrungsmittel nicht weit kommen, sind die mit der Landwirtschaft einhergehenden Eingriffe in Ökosysteme unvermeidlich. Die große (Nachhaltigkeits-)Frage ist, wie man sie so gestaltet, dass sie möglichst viel Gutes und möglichst wenig Schlechtes fürs menschliche Wohlergehen verursachen. Und dafür muss man u. a. verstehen, was überhaupt „gut“ und „schlecht“ ist (d. h. was wie von Menschen wertgeschätzt wird); wie Landwirt:innen Entscheidungen treffen; und wie sich dann Politiken im Wechselspiel mit anderen externen Faktoren (globale Märkte, Klimawandel etc.) auf diese Entscheidungen auswirken können. All das versuchen wir in meiner Gruppe herauszufinden.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Der Job in seiner Diversität (s. oben), das Pendeln und die Erziehung zweier Kinder (die zugegebenermaßen schon recht groß und selbstständig sind) reichen aktuell völlig aus, um meinen Tag zu füllen.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich halte mich für einen recht langweiligen Menschen. Ich lese viel (wenn die intellektuellen Kapazitäten es zulassen): Science Fiction/Speculative Fiction, Geschichte und Politik (insb. Ost- und Südosteuropa), Philosophie (politische und Sozialtheorie), Graphic Novels. Dabei höre ich gern seltsame Musik (u. a. viel Avantgarde Jazz). Immer seltener, aber weiterhin gern bearbeite ich Wikipedia. Und ich lerne Sprachen (zuletzt Dänisch, Französisch und Spanisch auf Duolingo). Was nichtintellektuelle Hobbies anbetrifft, habe ich nur Wandern und Basketball zu bieten.
Wie sieht dein idealer freier Tag aus?
Längere Wanderung mit der Familie durch ein waldiges Mittelgebirge, anschließend was Gutes essen (indisch, ostasiatisch oder italienisch), dann Lesen, Musik hören und vielleicht mal ein (Karten- oder Brett-)Spiel spielen.
Bitte begrüßt Bartosz ganz herzlich auf dem Kanal!