Diese Woche freuen wir uns auf unseren Kurator Felix Schilk (@stillapossibility.bsky.social)! Felix ist Soziologe und forscht zu politischen Ideologien, Radikalisierungsprozessen und Diskursverschiebungen. Nach Studium und Promotion an der Technischen Universität Dresden ist er an die Universität Tübingen gegangen. Dort hat er europäische Initiativen untersucht, die zur Prävention von Verschwörungstheorien und Desinformation arbeiten. Das aktuelle Forschungsprojekt „Rechte Immersion und engagierte Öffentlichkeiten“ fragt danach, wie Rechtsextremismus auf subtile Weise an alltägliche Lebenspraktiken anknüpft und warum er für Menschen attraktiv ist.
Wie bist du in der Wissenschaft gelandet?
Während des Feedbackgesprächs zu meiner Diplomarbeit hat mich mein damaliger Betreuer auf eine Stelle hingewiesen, die er gerade ausgeschrieben hatte. Zwar hatte ich immer mal in Erwägung gezogen, irgendwann zu promovieren, wollte aber nach dem Studium eigentlich erst noch einmal länger nach Serbien gehen, um dort die Sprache zu lernen und mir ein Promotionsthema im Bereich der Erinnerungspolitik zu überlegen. Dann habe ich die auf zwei Jahre befristete Qualifizierungsstelle am Institut bekommen, bin thematisch näher an meiner Diplomarbeit geblieben und habe die Zeit vor allem genutzt, um mich auf ein Promotionsstipendium zu bewerben. Das hat geklappt, und seitdem bin ich dabei.
Warum hast du dich für dein aktuelles Feld entschieden, und/oder was hält dich
dort?
Ich bin in einer sächsischen Mittelstadt aufgewachsen, und dort haben mich Rechtsextremismus und vor allem seine Verharmlosung durch die Lokal- und Landespolitik schon sehr früh geprägt. Nach dem Abi habe ich meinen Zivildienst als FSJ bei einem zivilgesellschaftlichen Verein absolviert, der politische Bildungsarbeit an Schulen anbietet zu Themen wie Rassismus, Diskriminierung, rechte Codes & Styles, Antisemitismus oder Verschwörungstheorien. Aus dieser Arbeit sind über die Jahre gute Netzwerke entstanden, die mich motiviert haben, mein Wissen zu den Themenfeldern zu vertiefen und dieses Wissen weiterzugeben. Mein aktuelles Feld ist da insofern dankbar, als man viele Möglichkeiten hat, die eigene Expertise außerhalb der Universität einzubringen. Mittlerweile würde ich mich auch gern mal wieder mit völlig anderen Themenfeldern beschäftigen; gleichzeitig sehe ich aber auch eine gesellschaftspolitische Verantwortung.
Erzähle uns etwas über deine Arbeit!
Ich erforsche Rechtsextremismus und alles, was damit zusammenhängt. In meiner Dissertation habe ich mir Krisennarrative angeschaut. Das sind Muster, die unabhängig vom konkreten Thema immer wieder in Erzählungen und Texten auftauchen. Mein Eindruck war, dass rechte Texte unglaublich redundant sind; und ich habe versucht, das irgendwie sinnvoll konzeptuell zu fassen. Seitdem erschließe ich mir das rechte Denken in erster Linie über diese Narrative. Das funktioniert bisher ganz gut, macht das Thema aber auch etwas langweilig.
Im aktuellen
Forschungsprojekt „Rechte Immersion und engagierte Öffentlichkeiten“ geht es
nun darum, wie Menschen in ihrem Lebensalltag eigentlich zu rechtsextremer
Ideologie kommen: Was bietet sie ihnen? Wieso ist sie attraktiv? Wie knüpft sie
an lebens- und alltagspraktische Probleme an? Wir bezeichnen das als
„Immersion“ und meinen damit ein allmähliches Eintauchen in die Welt des
Rechtsextremismus. Eine spannende Frage ist dabei, ab wann der eigentlich
beginnt. Wie überzeugt muss man tatsächlich sein? Geht es um Ideologie und
Glauben? Um Verhalten und Praktiken? Um Codes oder andere identitätsstiftende
Aspekte? Um die Zugehörigkeit zu bestimmten Subkulturen und Szenen? Um
Initiation und Rituale? Um Macht und Selbstwirksamkeit? Ich habe darauf keine
einfache Antwort: Politische Einstellungen und Identitäten sind sehr
unterschiedlich und können ganz unterschiedliche Funktionen für Personen haben,
auch wenn wir im Alltag oft versuchen, sie auf einen einfachen und eindeutigen
Begriff zu bringen. Oft haben Menschen aber mehrere Glaubens- und
Deutungssysteme, die sie in verschiedenen Lebenssituationen nutzen, und nicht
immer glauben Menschen auch zu 100 Prozent genau das, was sie sagen. Diese
Ambivalenz von Denksystemen, Verhaltensweisen und Rhetoriken finde ich
spannend.
Motivation: Warum sollte sich die Öffentlichkeit für deine Forschung/Arbeit
interessieren?
Mein Eindruck ist,
dass Teile der Öffentlichkeit und vor allem die Politik noch immer sehr ratlos
sind, wie man souverän auf rechtsextreme Diskurse reagieren kann und mit der
extremen Rechten umgehen sollte. Immer wieder werden dabei die gleichen Fehler gemacht.
Dabei ist das alles überhaupt nicht neu, weder die Themen noch die Strategien
noch die Dynamiken der gesellschaftlichen Diskursverschiebung und
Relativierung. Man muss sich nur die Geschichte der extremen Rechten sorgfältig
anschauen, auch mal in andere Länder gucken und dann erschließen sich viele
Gemeinsamkeiten. Jetzt gibt es sicher keine Patentrezepte, aber wir wissen
eigentlich schon sehr genau, welche Umgangsweisen kontraproduktiv sind und
nicht funktionieren werden. Trotzdem dreht sich die gesellschaftliche Debatte
seit Jahrzehnten immer wieder im Kreis und diese Erkenntnisse dringen nicht
wirklich durch.
Hast du irgendwelche interessanten externen/zusätzlichen Aufgaben/Tätigkeiten?
Ich habe seit dem Studium für viele Träger der politischen Bildung Workshops und Seminare durchgeführt und mache das auch jetzt immer noch gern, genauso wie Vorträge außerhalb des Unikosmos. In der Stadt, in der ich aufgewachsen bin, bin ich noch in einem Verein engagiert, mit dem wir u.a. Veranstaltungen wie Vorträge und Lesungen organisieren. Und ab und an schreibe ich auch mal journalistische Texte. Aufgrund der viel kürzeren Deadlines fühle ich mich dabei zwar meistens sehr unter Druck gesetzt, aber am Ende macht mir das Schreiben viel mehr Spaß als bei wissenschaftlichen Genres – vor allem auch, weil man deutlich schneller ein Ergebnis in der Hand hat.
Irgendwelche interessanten Hobbies, von denen du uns erzählen möchtest?
Ich reise gern und oft, habe ein besonderes Faible für sozialistische und brutalistische Architektur und jugoslawische Spomeniks (es gibt da diese tolle Datenbank: https://www.spomenikdatabase.org/), und mache Sport, den man gut allein und draußen unternehmen kann (sowas wie Radfahren, Schwimmen, Laufen). Mittlerweile würde ich auch gern mal wieder neuere Computerspiele zocken, aber dafür braucht es erst mal neue Hardware. Bis dahin bleibt es alle paar Wochen bei einer Runde Dota 2 oder Civilization mit Freunden.
Wie sieht dein idealer
freier Tag aus (Forschende sind ja auch nur Menschen)?
Nicht zu früh
aufstehen, dann mit dem Rad in Richtung einer Stadt fahren, die ich nicht
kenne, zwischendurch in ein Gewässer springen und am Abend irgendwo gut &
günstig essen gehen.
Bitte begrüßt Felix ganz herzlich bei Real Scientists DE!